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E-Auto: Zulieferer haschen nach Herzstück – Autobauer verlieren Macht

Zulieferbranche sind bei den Elektro-Autos dabei in, eine der wenigen verbleibenden Domänen der Autobauer vorzudringen: den Bau der Motoren. Bei gerade einmal 350 neue E-Autos aus Serienproduktion geht es noch um ein Nischenprodukt. Dennoch tobt bereits ein harter Wettstreit um Marktmacht und Produktionskapazitäten.

Von Caroline Biehl

Frankfurt am Main > Ein Blick auf die Verkaufszahlen zeigt: Das Elektroauto ist derzeit ein Nischenprodukt: Gerade einmal 350 neue E-Autos aus Serienproduktion fanden laut Verband der internationalen Kraftfahrzeughersteller im ersten Quartal 2011 in Deutschland einen Besitzer, bei den Hybrid-Fahrzeugen sollen es etwa 3000 gewesen sein. Dennoch tobt in diesem Sektor ein harter Wettstreit um Marktmacht und Produktionskapazitäten.

„Aktuell ist ein Kampf entbrannt“, beschreibt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive in Bergisch Gladbach in dramatischen Worten das Verhältnis zwischen Autobauer- und Zulieferbranche. Letztere sind dabei in, eine der wenigen verbleibenden Domänen der Autobauer vorzudringen: den Bau der Motoren. „Wenn es in größere Stückzahlen geht, haben sich Zulieferer schon in Stellung gebracht“, beschreibt es Analyst Frank Biller von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und warnt: „Wenn ein Autobauer den Antrieb an einen Zulieferer vergibt, dann gibt er das Herzstück raus.“

Nichtsdestotrotz operieren bereits einige Zulieferer am Herzen der Hersteller. Continental verkündete Anfang März den ersten kompletten elektrischen Antriebsstrang für die Serienproduktion von E-Autos herzustellen. Bosch und der südkoreanische Samsung-Konzern investieren bis 2013 eine halbe Milliarde Euro in Entwicklung und Produktion von Lithium-Ionen-Batterien. Sie sollen im E-Auto von BMW verbaut werden. Daimler hat sich für den Batteriebau mit dem Energie- und Spezialchemiekonzern Evonik zusammengeschlossen. Auch Siemens entwickelt und baut in Sachen E-Antrieb mit.

Egal welche Antriebstechnik, ganz ohne Zulieferer kommt auch heute schon kein Autobauer mehr aus. Die Unternehmen im Umfeld der Autoriesen arbeiten schnell, in hoher Stückzahl und billiger. Dennoch: „Die Autohersteller täten gut daran, einen Teil der Wertschöpfung auch bei der Elektromobilität bei sich zu lassen“, sagt Bratzel. „Wenn ein Konzern keine Wertschöpfung mehr hat, ist er irgendwann austauschbar.“

Austauschbar wären sie womöglich nicht nur gegen die üblichen Wettbewerber, sondern durch ganz neue, bisher fachfremde Konkurrenz: „Schnell kann es passieren, dass sich Konzerne wie Microsoft oder Apple überlegen, ein Auto zu bauen“, warnt Bratzel. Oder Energieversorger etwa könnten mit dem neuen Stromtarif gleich noch das passende Elektroauto mitliefern. Sie alle bräuchten im Grunde ja nur das Knowhow der Zulieferer.

Auch um der eigenen Marke willen sollten sich Autokonzerne den Experten zufolge deshalb gut überlegen, welche Aufgaben sie verteilen. Wie viel ein Hersteller dann in fremde Hände legen könne, hänge von seinem eigenen Selbstverständnis und von dem des Kunden ab, erklärt Biller. Wenn ein Autobauer Technologie unter seinem Label haben wolle, dann könne er diese kaum von einem Zulieferer zukaufen.

Wie die Arbeitsteilung zwischen Autobauern und Zuliefern in Zukunft aussehen wird, lässt sich bislang aber noch nicht sagen. Die Hersteller verfolgen in Sachen Elektroauto derzeit noch verschiedene Ansätze: „Die Weichen sind bei vielen noch nicht gestellt“, sagt Biller.

Konkret gehe es noch um zwei Fragen: Bis wann muss der E-Antrieb vorangebracht werden und in welcher Stückzahl brauchen die Autobauer schließlich E-Motoren und Batterien? Je schneller und je mehr, um so eher können sich die Zulieferer auf ein gutes Geschäft einstellen. Wann diese Fragen aber letztgültig beantwortbar sind, ist derzeit noch völlig offen.


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